Eine Art Präludium mit Worten zur grausam-schönen Jahreslosung Gen 16,13
Gott sieh jetzt weg. Ich will nicht gesehen werden.
Nicht so.
So will ich mich selber nicht sehen.
Also schau nicht hin, bitte, lass mich verschwinden, unbemerkt.
Lass mich gehen und retten, was mir heilig ist.
Das neue Leben, das in mir wächst.
Lass mir wenigstens diese Entscheidung. Sie ist meine einzige Würde.
Gott, sieh jetzt weg.
Wenn du sonst schon nicht gesehen hast, meine Scham, meinen Schmerz, meine verzweifelte Schuld.
Wenn du schon nicht gehört hast mein Flehen nach einem eigenen Leben, dort, wo ich hingehöre, danach, dass jemand mich erkennt als die, die mehr ist als eine Sklavin aus einem fremden Land.
Ich brauche einen Gott, der mehr ist als ein Bewahrer des Patriarchats.
Ich brauche einen Gott, der mich in die Freiheit führt und nicht betäubt mit Opium, mit ein bisschen Sekundenaufmerksamkeit für die Ewigkeit.
Gott, ich brauche einen Gott, der mich mehr sein lässt als eine, die tun muss, was andere nicht können oder wollen.
Emotional, sexuell, körperlich.
Gott, du hast weggesehen, als ich flehte, als ich dich brauchte.
Also lösch meinen Namen aus der Erzählung der Welt, ich bin austauschbar wie all die anderen Frauen auch.
Nie war ich die Mutter der Verheißung, die Schöne, die erste Wahl.
Nie war ich Familie, nur Anhang.
Nie war ich Freundin, nur Mittel zum Zweck.
Und du weißt, du sagst, ich bin mehr als das.
Und ich habe auf Taten gehofft.
Öffentlich, rechtlich, dass man mich sehen kann als eine, deren einziger Wert nicht in ihrer Arbeit liegt.
Und ich habe gearbeitet mit allem, was ich hatte. Für andere, für dich.
Ich hätte es so verdient, was ich mir nicht verdienen kann.
Das hast du gesehen und wenn nicht –
Gott, sieh jetzt weg, wenn ich rette, was mir heilig ist.
Der Versuch neuen Lebens.
Lass mich mit erhobenem Kopf scheitern.
Lass mich verhungern und verdursten, aber lass mir meine Würde, damit ich wieder an dich glauben kann.
Gott, bitte sieh jetzt weg oder seh mir hinterher.
Wie ich kleiner werde und größer.
Triff mich in der Wüste.
Aber sieh mich erst an, wenn du sehen willst, dass ich nicht zurückkehre.
Triff mich in der Wüste.
Aber nur, wenn du bereit bist für die, die du so geschaffen hast, dass sie mehr ist als eine Sklavin.