Die Welt zu Gast?

Liebe Gemeinde,

die Welt ist zu Gast in Stemwede.

In Levern, Destel, Wehdem, Dielingen. Auf unseren Straßen mit ihren Fahrrädern, in unserem Gemeindehaus bei „Brot und Spiele“, unserer neuen Gemeindegruppe für junge Erwachsene. Menschen aus anderen Ländern, oft nur erkennbar an ihrer dunkleren Hautfarbe und uns unbekannten Sprachen.

Die Welt zu Gast in Stemwede.

Das hört sich nach einem Fest an, aber es ist kein wunderbarer Ausnahmezustand, das ist Alltag. Aber: Im Alltag Gast zu sein ist kein Leben. Die Flüchtlinge, die in unseren Dörfern wohnen, wollen keine Gäste sein. Sie wollen bleiben. Sie wollen in Deutschland leben. Einfach nur ganz normal leben. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Sie wollen Deutsch lernen, eine Arbeit finden, eine eigene Wohnung, Freunde und Familie. Sie wollen eine langfristige Perspektive. Nicht nur geduldet sein für die nächsten Monate und ihre Lebenszeit in ihren spartanischen Zimmern absitzen. Dafür haben sie zuviel riskiert, geopfert, hinter sich gelassen. Zurück will keiner. Trotz allem.

Ich zu Gast bei den Flüchtlingen.

Ich bin ungefragt vorbeigekommen, aber ich bin willkommen, bekomme Tee und Knabbereien und gute Fragen: „You are a priest? Du bist Pastorin? Ich habe eine Frage an dich: Was kann die Kirche tun für uns? Wie könnt ihr Christen uns helfen? Angela Merkel ist doch auch die Tochter eines Pfarrers …“

Willkommen in der Politik.

Willkommen in der Bibel.

Willkommen im so genannten Weltgericht, Matthäusevangelium Kapitel 25, da vergleicht Jesus sich mit einem König:

37 Dann werden die, die den Willen Gottes getan haben, fragen: „Herr, wann sahen wir dich jemals hungrig und gaben dir zu essen? Oder durstig und gaben dir zu trinken? 38 Wann kamst du als Fremder zu uns und wir nahmen dich auf, oder nackt und wir gaben dir etwas anzuziehen? 39 Wann warst du krank oder im Gefängnis und wir besuchten dich?“ 40 Dann wird der König antworten: „Ich versichere euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder oder für eine meiner geringsten Schwestern getan habt, das habt ihr für mich getan.“

Willkommen im Leben.

Es wird kompliziert, wenn die Bibel auf Politik trifft und wir auf Menschen, die uns auf beides ansprechen. Als Christen und Bürger eines Landes. Wir sind herausgefordert, wenn direkt vor unserer Nase die Bibel aufs Leben trifft. Also: Was können wir Christen tun in Levern? Für die jungen Männer und Familien unter uns? Und damit für Gott?

Zwei Antworten

Die erste Antwort ist ganz einfach, aber sie ist schwer auszusprechen, wenn man jemand gegenüber sitzt, der so sehr auf eine Perspektive für sein Leben hofft. Die Kirchengemeinde vor Ort kann für die allermeisten Flüchtlinge nicht viel tun. Zumindest nicht das, was sie sich am meisten wünschen. An ihrem Aufenthaltsstatus können wir nichts ändern, Arbeit und für jeden eine eigene Wohnung haben wir auch keine. Kirchenasyl ist das letzte Mittel und nicht in jeder Gemeinde zu leisten. Die Kirche als Institution und ihre Vertreter können sich politisch für Flüchtlinge einsetzen, aber kurzfristig sind davon keine bahnbrechenden Erfolge zu erhoffen.

Die zweite Antwort ist da schon komplizierter. Als Menschen und Christen können wir die Flüchtlinge in unseren Dörfern willkommen heißen. Aber nicht als Gäste, denn sie sind nicht zu Besuch gekommen, sie sind hier nicht im Urlaub. Sie suchen hier ein Leben. So oder so, ob sie es hier rechtlich zugesprochen bekommen oder nicht, sie ersuchen uns nach Leben. Sie haben kein anderes irgendwo in den Ländern, in denen wir auch nicht leben wollen würden. Willkommen heißen meint, ihnen helfen hier zu leben.

Die Welt ist zu uns gekommen und sie suchen Leben.

Jesus sagt: „Ich versichere euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder oder für eine meiner geringsten Schwestern getan habt, das habt ihr für mich getan“.

Gott ist zu uns gekommen.

Lasst uns tun, was wir können.

Ihre Katrin Berger