gemäß Art 222(1) KO, Evangelische Kirche von Westfalen
Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt,
der bleibt in Gott und Gott in ihm. (1. Joh 4,16b)
Mein Verständnis der Schrift
Der Bibelvers aus dem 1. Johannesbrief, den ich mir zu meiner Taufe am 27.04.1997 ausgesucht habe, ist nicht nur mein Bekenntnis zu unserem dreieinigen Gott, sondern auch zu meinem hermeneutischen Schlüssel für die Bibel geworden.
Die Mitte der Schrift ist Gottes Selbstoffenbarung als bedingungslose und fürsorgende Liebe (Agape). Aus dieser Liebe heraus hat Gott die Menschen zu seinem Ebenbild geschaffen (Gen 1,27), damit wir als solche in Beziehung zu ihm und miteinander in seiner Liebe leben. Das Alte und Neue Testament geben uns Zeugnis davon, wie Gott diesen Bund des Lebens mit seinen Geschöpfen schließt und immer wieder bekräftigt (vgl. Art. 1 KO). Die Bibel ist Gottes Wort an uns, aus dem wir Zuspruch und Anspruch auf unser Leben erfahren und dem wir per ‚ora et labora‘in Gottes Welt antworten sollen.
Ich glaube, Jesus von Nazareth ist Gottes menschgewordenes Wort (Joh 1,14) der Liebe an alle Menschen (1.Joh 4,9). Die Evangelien übermitteln uns, wie sehr Jesus Christus den Worten der Thora und der Propheten verpflichtet war (Mt 5,17f). Er legte sie nicht nur aus, sondern lebte sie (Mt 5,44, Lk 23,34). Letztendlich schloß er ihre Heilsbotschaft damit allen Menschen auf (Mt 28,19). So wie Jesu Leben untrennbar mit den Texten des Alten Testaments verwoben ist, bilden beide Testamente den Stoff, die Textur, durch die mich die Liebe Gottes berührt. Gilt diese im Alten Testament vorrangig seinem erwählten Volk Israel, das Gott der Schöpfer segnet und mehrt, aus der Sklaverei befreit und an seine guten Gebote bindet, so weitet sich der Bund des Lebens im Neuen Testament durch den ‚Juden Jesus, den gekreuzigten und auferstandenen Christus‘ endgültig auf alle Völker und damit auch mich aus. So wie Gott sich in Exodus 3,12 als JHWH beschreibt, so spricht Jesus von sich im Taufbefehl in Matthäus 28,20. Auch Gott der Sohn liebt, erwählt und befreit uns von der Knechtschaft der Sünde und des Todes. Jesus Christus stiftet durch Abendmahl und Taufe Versöhnung und verbindliche Gemeinschaft mit sich und unter uns. Gott der Heilige Geist hält die kurzen und langen Heilsgeschichten, Gleichnisse, Bekenntnisse, Gebete, Gesetzestexte, Reden, Briefe und anderen Texte, in denen unsere Vorfahren im Glauben den Gott, der die Liebe ist, bezeugen, in unseren christlichen Gemeinden lebendig (Joh 15,26). So werden wir orientiert, wenn wir den Fokus verloren haben, irritiert, wenn wir bequem und sicher geworden sind, getröstet, wenn wir hoffnungslos sind und ermutig und aufgefordert, wenn uns gefühlt die Kraft fehlt. Nur so glauben und leben wir in der Liebe, weil Gottes Geist dafür sorgt, dass die Liebe Gottes durch das Wort in unsere Herzen ausgegossen wird (Röm 5,5).
So ist die Bibel der Grund meiner Hoffnung geworden, dass die Gnade unseres Herrn Jesus Christus,die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes (2. Kor 13,13) auch für mich gilt.
So bezeugt, vermittelt und geglaubt bilden das Alte und Neue Testament als ‚norma normans’ für mich zu Recht die einzige Heilige Schrift unserer christlichen Kirche.
Mein Verständnis der Bekenntnisse
Glauben, Lieben, Hoffen (1. Kor 13,13) kann jeder Mensch als Geist-Seele-Leib-Einheit „nur“ gefühls- und verstandesmäßig als Individuum. Als solches ist jeder Mensch jedoch immer untrennbar mit seinen sozialen Kontexten und dem kulturellen Deutungsrahmen seiner jeweiligen Gemeinschaft verwoben. Es gibt deshalb keinen„eigenen Glauben“ per se, weil Glaubensinhalte immer in Gemeinschaft tradiert werden. Anders herum formuliert: Gemeinschaften konstituieren sich über gemeinsame Inhalte. Auch Gottes Wort und Liebe können nur sowohl ‚pro me‘ als auch ‚pro nos‘ erkannt und geglaubt werden. Besonders für die Gemeinschaft der Gläubigen war es dabei von Anfang an, und ist es immer noch, unerlässlich zu definieren,worin Gottes Liebe besteht (1. Joh 4,10) und was wegweisende und schriftgemäße‚regula fidei‘ sind.
In der Evangelischen Kirche von Westfalen sind die drei altkirchlichen Bekenntnisse und die reformatorischen Bekenntnisschriften lutherischer und reformierter Tradition von bleibender Geltung. Meiner Überzeugung nach sind aber nicht nur die drei altkirchlichen Hauptsymbole ‚normanormata‘, sondern alle Bekenntnisse der Evangelischen Kirche von Westfalen. Das Apostolicum, das Nicänum und das Anthanasium haben die Trinität und ihr Wirken in der Heilsgeschichte aus den Heiligen Schriften abgeleitet und damit das bleibende Fundament für die weltweite Ökumene der Christen gelegt. Die reformatorischen Bekenntnisse definieren schriftgemäß zu den Glaubensbekenntnissen ergänzend, was über Glaube, Rechtfertigung, Sakramente,Predigtamt, Kirchenverständnis etc. von Christinnen und Christen geglaubt und gelebt werden soll.
Alle Bekenntnisse haben gemeinsam, dass sie die Gläubigen persönlich betrafen und die Gemeinden in einem bestimmten Kontext ausreichend einen sollten. Dies war vor allem vor dem Hintergrund der vielfältigen biblischen Aussagen über Gott,Vater, Sohn und Heiligem Geist, sowie über Gnade und Gesetz, Glauben und Leben existentiell,um in Krisenzeiten Schutz vor Irrlehren zu gewährleisten. Dies galt auch für die ‚Theologische Erklärung der Bekenntnissynode in Barmen vom 31. Mai 1934‘,der aus meiner Sicht bekenntnisähnliche Bedeutung zukommt, weil sie schriftgemäß verdeutlicht, dass die Kirche ihren Grund und ihr Sein nur in Jesus Christus hat.
Alle theologischen Dokumente sind selbst Zeugen ihrer (Krisen-) Zeit und ihrer Verfasser (und damit ihres menschlichen Status ‚simul iustus et peccator‘). Die Bekenntnisse beanspruchen jedoch im Gegensatz zur Bibel weder die Heiligkeit des Wortes Gottes noch dessen ewige Gültigkeit. Deshalb ist es erträglich und ertragreich, dass die durch die jeweilige Zeitgeschichte begründeten Trübungen der Bekenntnisse neben ihrem gleichbleibenden und unbestrittenen Wert für die Entwicklung und Einheit unserer Kirchen und Lehrinhalte stehen. Die gegenseitigen Verwerfungen der Vergangenheit haben tragische Auswirkungen nach sich gezogen und die Ökumene viel zu lange belastet, sind jedoch durch die Verlautbarungen der letzten Jahrzehnte ausreichend benannt oder zurückgenommen worden. So verstanden, sind sie uns heute gleichzeitig Mahnmal und Ermutigung zu Positionierung und Diskussionskultur, die mir in all der wunderbaren Vielfalt der Theologien (im Protestantismus) weiterhin als unumgänglich scheinen.
Ich bin in einer konfessionsverbindenen Familie aufgewachsen, die mich zwar mit der Bibel vertraut gemacht hat, aber die Wahl meines Glaubens und meiner Gemeinde ganz bewusst mir überließ.
In den letzten zwanzig Jahren meiner theologischen Biografie habe ich nicht nur in evangelikalen Kreisen mein Studium aufgenommen, sondern bin auch Feministischen Theologien begegnet, um nur beispielhaft unterschiedlichste Strömungen des Protestantismus zu nennen. Ich habe an einem Lutherischen Seminary in America studiert wie auch am Seminar für Reformierte Theologie in Münster. Dabei bin ich dem Rat aus dem 1. Thessalonicher 5, 21 „Prüft aber alles und das Gute behaltet“gefolgt und habe entschieden, dass nur die Vielfalt der evangelischen Konfessionen mir als Gläubige, Theologin und Pfarrerin genug Vielfalt an Deutungen und Fokussierungen bietet, die ich für die Vielfalt meines Lebens und vor allem des Lebens der Gemeindemitglieder brauche, denen ich das Evangelium in Verkündigung, Seelsorge und Unterricht kommunizieren soll.
Die lutherischen Soli ‚sola gratia‘, ‚sola fide‘, ‚sola scriptura‘ und ‚solus Christus‘ sind in besonderer Weise zu meinem hermeneutischen Schlüssel geworden. Sie vermögen gleichermaßen klare Grenzen zu setzen, wie scheinbar gegensätzliche Theologien zu verbinden oder zumindest gleichberechtigt nebeneinander gelten zu lassen. Auf diese Weise können mehrere Verständnisse einer Bibelstelle oder eines theologischen Themas zu einer tieferen Erkenntnis führen. Beispielsweise an der Sakramentenlehre wird deutlich, wie es dem Evangelium und den unterschiedlichsten Menschen und Gemeinden dienlich ist, wenn die Einheit der Kirche auch in der Vielheit der Konfessionen besteht, wie das in unserer unierten Landeskirche der Fall ist. Weist das lutherische Abendmahlsverständnis durch seine Realpräsenz Christi für mich einen stark vergewissernden und damit seelsorglichen Charakter auf (CA V), der vielen Menschen und Gemeinden in Krisensituationen Hoffnung schenkt, dient das reformierte Verständnis des letzten Mahls als Gedächtnisfeier und Hineinstellen in den Bund Gottes dagegen meines Erachtens eher denen, die Brot und Kelch „nur“ symbolisch „vernünftig“ verstehen können oder wollen (HK, Frage 78, 79) und die Befreiung aus Knechtschaft und Sünde Grund zum Feiern ist. So gibt Gott im Abendmahl den verschiedensten Menschen, was sie jeweils brauchen – sich selbst als die Liebe.
Da ich somit in der Einheit der Vielfalt den größten Reichtum an Kommunikationsformen für die Liebe Gottes finde, möchte ich mich gemäß Art. 223 (2) KO uniert ordinieren lassen und bitte darum, auf die die drei altkirchlichen Hauptsymbole, die Bekenntnisse der Reformation und die Theologische Erklärung der Bekenntnissynode in Barmen verpflichtet zu werden.
Preußisch Oldendorf, den 12.05.2016
Katrin Berger