Luxus de Luxe – mach dein Ehrenamt freiwillig

Frei gesprochen zum Neujahrsempfang der Evangelischen Jugend Hamm

Wer mich kennt weiß: Ich bin ja eigentlich immer zu spät. So 5 Minuten, in letzter Zeit leider sogar auch 10 Minuten.

Da stellt sich die Frage: Warum?

Ja, weil ich immer zu spät losfahre! Aber WARUM tue ich das?

Weil ich so viele tolle Sachen machen will und zu machen habe und die Zeit dafür immer knapp ist.

Und dann ist vieles auf den letzten Drücker und –“Schwupps“  ist die Zeit weg und ich sitze zwar im Auto, aber eben mindestens 5 Minuten zu spät.

Das tut mir sehr leid, für alle, die auf mich warten müssten.

Aber glaubt mir, ich hab echt schon viel ausprobiert, und es bringt nix.

Früher aufstehen führte auch nur dazu, dass mir noch mehr schöne Sachen einfielen, die ich tun konnte.

Meine Unpünktlichkeit ist einer der wenigen Punkte, wo ich aufgegeben habe.

Denn ich kann es einfach nicht lassen, noch das und dies zu tun, weil das wichtig ist und mir Spaß macht und sowieso nehme ich einfach zu oft das Telefon ab oder rufe sogar noch zurück, wenn ich sowieso schon spät dran bin.

Klar gibt es auch Sachen, die machen mir keinen Spaß, aber ich glaube im Vergleich zu anderen Menschen mache ich echt viele tolle Dinge, die ich mir ausgesucht habe.

Das war schon immer so.

Klar musste ich zur Schule, aber da lief es meistens einfach irgendwie. Da hatte ich echt mehr Glück als Verstand.

Vor fast 25 Jahren, da muss ich so 11, 12 gewesen sein, habe ich angefangen, mich für Umweltschutz zu interessieren. Im Greenteam war ich, Greenpeace-Aktivistin wollte ich werden, so auf Kernkraftwerke drauf und dann Plakate runter lassen, nur, wer mich kennt, weiß auch das – das ist eine blöde Idee, wenn man Höhenangst hat wie ich. Also hab ich aus dem und anderen Gründen angefangen, andere Dinge zu tun. Da stand Schirin vor mir fragte, ob ich nicht mitmachen wollte im Kindergottesdienst, nach meiner Konfizeit. Und das habe ich gerne gemacht. Auch auf Kindergottesdienstfreizeiten und mit Konfis war ich dann unterwegs, eine Mädchengruppe habe ich geleitet, Andachten gehalten, auf Ski- und Sommerfreizeiten in Schweden, Ungarn und der Schweiz bin ich mitgefahren. In der Schule habe ich einen Gebetskreis gegründet, ihr merkt schon, das ganze Programm.

So was wie heute hier gab es damals nicht, so einen Neujahrsempfang oder so Dankeschön-Aktionen für Ehrenamtliche. Damals, also –wir hatten ja nichts. Wir hatten nur Sandwichtoast.

Aber so ein Abend wie hier, hat mir auch nie gefehlt. Nur aufgeregt habe ich mich, wenn ich ganz alleine mit allem da stand, als der Jugendreferent abgezogen wurde und alles aufhörte, weil ich Studieren ging. Und für die Altersgruppe der Pfarrerskinder Geld für eine Hauptamtliche gesammelt wurde …

Das hat mich echt gewurmt. Ich glaube, auch deshalb hab ich erstmal aufgehört mit der Gemeindearbeit. Schließlich war ich auch grad dabei mein Ehrenamt zum Beruf zu machen.

Eine Weile war das ok, aber im 4. Studienjahr hat mir dann doch wieder was gefehlt. Denn mein Theologiestudium hatte ich mir zwar ausgesucht, aber da gab es auch eine Menge Druck. Als ich das Graecum bestanden habe, konnte ich es kaum glauben. Es kam mir wie ein Wunder vor – so dass ich dachte, ach Hebräisch schaffst du auch einfach. Hab ich aber nicht. Da bin ich durchgefallen. Zwischendurch noch Latein und dann Bibelkunde, das war auch echt großer Mist, so auswendig lernen ist einfach nicht mein Ding. Und es hat mir was gefehlt, was ich nicht machte, damit ich mal was werde. Sondern etwas, das mir jetzt was gibt, dass ich jetzt schon was bin, mich einbringen kann. Wer will schon Jahre warten? Ich nicht. Und vor allem, wollte ich was machen, das ich freiwillig mache, was ich will, das keinen Druck erzeugt. Was lernen ist ok, wenn es Sinn macht für mich, aber das Theologiestudium machte manchmal keinen. Also habe ich das gemacht, was ich immer schon mal machen wollte, aber im Studium nicht „geübt“ wird. Eine Seelsorgekurs. Andere fuhren in den Urlaub, ich nach Waldbröl, 6 Wochen, über 1200 Euro. Danach bin ich Notfallseelsorgerin geworden. Mit 25. Früher geht das nicht, aber für die Nacht -und Wochenendschichten konnte ich mich gut eintragen, das ging neben dem Studium. Und dann rief die Feuerwehr an und ein Wagen vom ASB fuhr mich dorthin, wo ein Notfall war. Und das war mein bestes Ehrenamt.

Zwei Dinge waren in diesem Ehrenamt anders als in der Gemeinde: 1. Ich bekam Unterstützung, wenn mir etwas zu nah ging oder ich Fragen hatte.

2. Nicht alles hing an mir. Denn wenn ich nicht mehr konnte, sprang wer anders ein, ich war da immer wirklich freiwillig. Wir waren ein großes Team und wenn jemand eine Auszeit brauchte, ging das. Ich glaube, das war daran so gut. Weil ich das nicht nur gerne gemacht habe – den Kindergottesdienst habe ich auch geliebt. Aber da war immer Mitarbeitermangel. Den gab es im Team der Notfallseelsorge nicht. Da konnte ich nach dem Studium auch gut aufhören, ich wusste, es hängt nicht alles an mir. Ich war wirklich immer freiwillig da.

Hier bei euch zu sein, in Hamm war auch meine freie Entscheidung – und ja, es ist mir auch eine Ehre, aber, manchmal bin ich auch neidisch auf euch Freiwilligen, Ehrenamtlichen.

Ich kann nämlich nicht mehr einfach gehen, ich muss irgendwie Perlas Futter und meine Tortenstücke finanzieren.

Und weil ich das ja oder zumindest irgendwas gelernt und studiert habe müsste ich, sollte ich es auch ganz gut können …

Ehrlicherweise. Seit ich Geld für meinen Traumberuf bekomme, ist da schon auch wieder Druck. Mein Vorgesetzter ist ja heute auch hier und guckt zu. Und wartet vielleicht auf den Bibelvers, aber der kommt nicht … tja.

Manchmal wäre ich gerne wieder frei vom Druck. Und ich wäre manchmal auch gerne frei zu sagen. „Nee, da mache ich nicht mit, das ist mir zu blöd. Macht ihr mal alleine.“ Manchmal kann ich was verbessern an Situationen, die ich vorher als Ehrenamtliche nicht in der Hand hatte, aber manches muss ICH jetzt machen.

Ich beneide euch also ein wenig und gratuliere euch auch. Herzlichen Glückwunsch zum Ehrenamt. Dazu, dass ihr wirklich ganz freiwillig dabei seid. Ob im Turm in Werries, ob im Uphof, beim Konfi-Camp, in der JuKi …

Heute ist ja so ein Tag, wo wir auch mal Danke bei euch sagen, aber eigentlich bedankt euch mal auch bei euch selbst. Ihr seid so frei. Ihr macht was ohne Druck – für andere mit anderen in eurem Leben. Das ist LUXUS de Luxe.

Und damit das so bleibt, heißt das auch: Wenn ihr eurer Ehrenamt nicht mehr freiwillig macht, dann hört auf damit. Und wenn euch irgendjemand mal sagen sollte, ihr müsstet freiwillig was machen, wovon ihr weder überzeugt noch begeistert seid- dann geht weg.

Wenn da Druck rein kommt oder euch unsere Unterstützung fehlt, beschwert euch bei uns– und wenn das nix bringt, hört auf oder geht.

Die Welt, die Jugendarbeit im Kirchenkreis und Gott braucht euch – aber nur als Freiwillige, ich sollt dabei frei bleiben zu entdecken, wohin ihr gehört, was ihr machen wollt.

Das wünsche ich euch, und wir tun unser Engagement dazu.

Denn es ist eure Freizeit, die ihr mit uns verbringt, eure Lebenszeit. Damit ehrt ihr uns. Und eure freie Lebenszeit soll so gefüllt sein, dass ihr so viel Schönes darin habt, dass ihr eigentlich auch immer 5 Minuten zu spät sein müsstet.