Warten

Ich gebe es gerne zu: Ich gehöre zu den Menschen, die Krimskrams lieben. Also Andenken, Kitsch, Staubfänger aller Art oder einfach Deko. Ich mache es mir damit gerne schön und heimelig in meiner Wohnung. Diese vielen Kleinigkeiten machen mir gute Laune, bringen mich oft in Stimmung, wenn draußen oder auch im Leben gerade alles grau ist. Deshalb habe ich wohl auch so viel davon. Eine ganze Kommode voll. Sortiert in die Kategorien „Deko allgemein“, „Ostern“, „Herbst“ und „Advent“. Meine Weihnachtsdekoration allein braucht ganze zwei von den drei großen Schubladen meiner Kommode. Ich habe Kugeln, Schleifen, einen Nussknacker und einen Herrnhuter Stern – und natürlich alles, was man braucht, um einen Adventskranz zu gestalten. Aber letztes Jahr war ich damit trotz meiner Dekorationsbegeisterung richtig spät dran. Es war einfach viel los, Sie kennen das bestimmt. Und so war es plötzlich Samstag vor dem 1. Advent 13.00 Uhr. Ich kümmerte mich grad noch schnell „um das angebliche bisschen Haushalt“, da wurde mir siedend – heiß bewusst: Ich hatte noch keinen Kranz! Und dabei machten die meisten Geschäfte um 14.00  Uhr zu! Also nix wie los, Schuhe an, Jacke über, letztes Bargeld zusammenkratzen und zu Fuß Richtung Blumenladen. Ich hatte es eilig, aber damit war ich irgendwie allein. Alle Menschen vor mir auf dem Bürgersteig schlenderten gemütlich vor sich hin. Alle bremsten mich aus auf meiner very-last-minute-Adventskranz-Shopping Tour. Den Höhepunkt bildeten zwei Frauen, die plötzlich stehen blieben. Direkt vor mir. Mitten auf dem Bürgersteig. Die eine hatte sich vor die andere gestellt, legte ihre Hand auf deren Arm und sagte unüberhörbar:

„Aber, WARTEN ist für mich Erholung! Ich weiß ja, dass er kommt.“

Ich lief genervt um die Frauen herum und sah im Vorbeigehen im Gesicht der anderen Frau, dass sie von diesem Ausruf genauso verdutzt war wie ich. Aber was ging mich schon der Besucher der Frau an!!? War ja nicht mein Problem, dass der auf sich warten ließ. Ich eilte weiter, doch ihre kurzen Sätze hatten mich schon gepackt, mich ausgebremst, stellten sich meinem selbstgemachten Stress in den Weg. Meine Schritte wurden langsamer. „Warten ist Erholung.“ Advent war auch eine Wartezeit, ging es mir durch den Kopf. Eine Wartezeit, in der sich die Vorfreude auf Weihnachten LANGSAM steigerte, Tag für Tag, Türchen für Türchen, 24 Tage lang. Eine Wartezeit, in der sich das Dunkel LANGSAM erhellte, Kerze für Kerze.  Und was tat ich? Ich machte mir schon Druck, bevor es überhaupt losging. So würde das nichts werden mit der Vorfreude,  wurde mir klar, und mit der Erholung schon gar nicht. „Ich weiß ja, dass er kommt“, hatte die Frau gesagt.  Stimmt, dachte ich und blieb stehen. Es wird Heilig Abend werden, egal wie gut meine Wohnung und ich vorbereitet sind, egal wie gut die Stimmung ist! Niemand war wirklich gut vorbereitet auf die Geburt Jesu vor knapp 2000 Jahren. Kein Kinderbettchen, keine Hebamme, kein roter Teppich, die Stimmung im Land war eher mies. Aber er kam trotzdem mit Engeln, Glanz und Gloria, wenn auch völlig anders als erwartet. Und weil er damals kam, weiß ich, dass er wieder kommt, deshalb glaube ich, dass es gilt: „Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer“, wie es bei Sacharja 9,9 steht. Jesus der König, der hilft wo er gebraucht wird und Gerechtigkeit bringt, wo Unfriede herrscht, kommt alle Jahre wieder und berührt mein Herz. Weil er so menschlich, so verletzlich, so realistisch als Säugling zu uns kommt. Ohne Schnickschnack und Deko, ohne, dass wir etwas dafür tun müssten. Jesus kommt so oder so und die Engel singen wunderschön: „Fürchtet euch nicht! Der Retter ist da!“  Also können wir es im Advent auch ein wenig langsamer angehen lassen und genüsslich warten. Und uns davon erholen, dass uns sonst immer alle sagen, dass wir selbst dafür verantwortlich sind, dass das Leben schöner wird und unsere Hoffnungen sich erfüllen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine erholsame Wartezeit im Advent!