Sarah steht vor ihrem Kleiderschrank und überlegt. Dann nimmt sie das mohnrote Leinenkleid vom Bügel. Für ihre Radtour ist das perfekt! 30 Minuten später stehen ihre Freundinnen schon vor ihrer Tür und sie machen sich auf den Weg.
„Es ist Sommer und wir haben frei!,“ ruft Marie in den blauen Himmel.
„Aber, der ‚Idealist‘ kommt auch,“ Johanna guckt vielsagend.
Marie nickt. „Ach, selbst wenn der wieder anfängt mit seinen verrückten Ideen, wenn kümmert‘s?“
„Mich nicht,“ sagte Sarah, „meine Laune lasse ich mir mir jetzt von niemand nehmen!“
Sie radeln durch die Felder und Marie fängt an zu singen: “Summertime and the living is easy … .”
Sommerzeit und das Leben ist leicht.
Sarah nickt innerlich. Der Sommer ist immer die Zeit im Jahr gewesen, in der sie sich leicht, gelassen und frei fühlt. Frei von Schule, Arbeit, frei von Verpflichtungen und frei von Sorgen.
Diese Wärme, das Licht, das schon da war wenn sie aufwachte und abends länger blieb. Die Sonne strahlte durch ihre Haut bis in ihre Seele hinein.
Die jungen Frauen fahren den Hügel hoch und können kilometerweit über das Land sehen.
In der Ferne sehen die Häuser so friedlich aus. Sarah setzt sich abseits ins Gras und genießt die Ruhe.
Aber der junge Mann, den sie alle nur den ‚Idealisten‘ nennen, wollte über Politik reden. Über das Leid der Flüchtlinge, die Populisten, die Umwelt, über die Armut und den Hunger, wie die zu Tod und Krieg führten, immer wieder, ohne Ende.
Dass die Welt eigentlich den Sanftmütigen und Barmherzigen gehören sollte.
„Zu schön, um wahr zu sein,“ denkt Sarah und spürt, dass sie wütend wird: „Das will ich jetzt nicht hören, ich brauche auch mal meine Ruhe von der Welt mit all dem Leid und den Sorgen!“
Sie wendet sich ab. Aus dem Augenwinkel entdeckt sie eine Mohnblume. Dieses intensive Rot, die feinen leichten Blütenblätter, ein Traum. Wer sich so was Schönes bloß ausdenken kann!
Sie blickt an sich her runter, die Designer ihres Kleides hatten es wohl versucht, aber …
Der ‚Idealist‘ läuft auf sie zu, bleibt stehen und zeigt auf die Mohnblume:
„Und warum machen wir uns eigentlich solche Gedanken, was wir anziehen.
Schaut die Mohnblumen auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, sie weben nicht.
Ich sage euch, daß auch Amal Clooney nie so elegant und schön aussehen wird.
Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so kleidet, das doch heute steht und morgen verbrannt wird: Wird er das nicht auch für euch tun, ihr überversicherten Pessimisten und ängstlichen Realisten?“ (Mt 6)
Sarah sieht ihn an und denkt: „Er hat Recht. Hätte ich doch jede Woche so einen Sommertag, damit ich spüre, dass ich die schönsten und wichtigsten Dinge gar nicht selbst machen kann.“
Sie atmet tief aus: „Dann könnte ich mich den Rest der Woche auch gut um die Welt kümmern.“