Morgens will ich meine Lieblingsjeans anziehen. Je höher ich sie ziehe, desto enger wird es. Mist! Es wäre wirklich gut, wenn ich nicht mehr so viel Schokolade essen würde! – „Fünf Portionen Obst und Gemüse pro Tag!“ Höre ich den Rat eines Diätgurus in meinen Ohren. Ja, das wär sicher gut für mich, grummele ich in mich hinein.
Als ich mein Fahrrad aus dem Keller hole, kann ich es kaum raus schieben, zu viel Zeug steht im Weg. Ich müsste unbedingt mal den Keller ausmisten! Ich höre meinen Vater reden: “Du könntest dich echt mal befreien von dem ganzen Kram, der sich da so angesammelt hat. Du kannst ja auch an keinem Sperrmüllhaufen vorbeigehen… Simplify-your-life!“
Jaja, diesen Urlaub schaffe ich es, ganz bestimmt. Apropos Urlaub: Ich darf auf keinen Fall vergessen, Tante Irma und meine Oma anzurufen, ohne Zeitdruck im Nacken. Und Ricarda und Yvonne und Mareike, die muss ich auch unbedingt mal anrufen… Man muss seine Freundschaften ja pflegen! Im Alltag komme ich kaum dazu. Das muss ich mir unbedingt alles aufschreiben, wenn ich nur den Kuli in meiner Handtasche finden würde. Wo ist der nur? Ach, was mach ich hier eigentlich?!! Eine To-Do-Liste für meine Urlaubswochen? Schießt es durch meinen Kopf. Ja, genau das brauche ich. Endlich hab ich dann mal Zeit für alles, wofür die Zeit sonst nicht reicht. Das wird ein gutes Gefühl! Endlich Häkchen dahinter setzten, oder noch besser Punkt für Punkt: DURCHSTREICHEN!
Ich mach mich auf den Weg zur Arbeit. Aber unterwegs wird die Vorfreude auf meinen Urlaub immer kleiner. Will ich wirklich während meiner Urlaubszeit an meinen Beziehungen „arbeiten“ und in meine Gesundheit und Wohnung „investieren“? Ist das der einzige und richtige Zeitpunkt dafür? Eine andere Stimme wird in mir laut. „Man muss wenigstens dafür sorgen, dass alles gut in Schuss bleibt!“ ermahnt mich mein Pflichtgefühl. In mir rebelliert es: “Aber Urlaub ist keine Zeit um etwas abzuarbeiten, was ich sonst nicht geschafft hab!“, „Aber dann, dann… wird das alles nix mit deinen guten Vorsätzen!“ hält meine Lebenserfahrung triumphierend dagegen. Ich radele an einem großen Plakat vorbei – Der Slogan: „Mal ehrlich, was zählt ist doch nur die Leistung!“ natürlich eine Versicherungswerbung. Ja, ja, ja, schon verstanden, ich fahre schneller, wütend trete ich in die Pedale. Was zählt! Hah! Was zählt, was zählt, geht es durch meinen Kopf, ich höre auf zu treten, es geht bergab. Was zählt eigentlich wirklich? Wovon hängt mein Leben ab, was ist jetzt wirklich wichtig für mich?
Mit diesen Gedanken schließe ich mein Fahrrad an und betrete das Gemeindebüro. Im Flur blinkt mich dieses bunte Plakat an mit einem Bibelzitat. Ich seh`s sofort an der Bibelstelle, jetzt will der Apostel Paulus mir auch noch in meine Urlaubsplanung reinreden!
„Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.“ (1. Korinther 15,10)
Sagt Paulus. Das sitzt. Der Satz gilt auch für mich. Das zählt jetzt für mich, das muss ich annehmen lernen: Ich bin, was ich bin, gut genug, mein Leben ist gut genug. Ich muss aufhören immer rumzurödeln. Ich brauche einen Urlaub, in dem ich auch mal nix machen kann. Außer vielleicht im Liegestuhl liegen. Damit mir Gottes Gnade wieder bewusst wird. Ich bin geschaffen als ein Ebenbild Gottes, liebenswert und frei für mein Leben und das Leben anderer. Das ist schon geschafft. Das kann ich niemals wieder verlieren. Deshalb kann ich auch nichts tun, um es zu erhalten. Langsam fällt mir das alles wieder ein. Ich kann gar nichts dazu tun. Wenn ich das vergesse, dann arbeite und bemühe mich, aber werde dabei ganz müde. Und das in meiner freien Zeit! Ich glaub, ich muss meine Urlaubsplanung ändern…oder einfach meine ganze To-Do-Liste DURCHSTREICHEN!