GELD

Der Talarträger auf der Kanzel hat einen fünfzig Euro Schein in der Hand. Er wird das Geld jetzt verschenken.

Und das soll uns jetzt alle beeindrucken? Der lässt sich ja heute mal was Besonderes einfallen.  Aber was sind schon 50 Euro?

Zugegeben, es war damals schon mucksmäuschenstill in der Kirche . Ich war auch ziemlich ruhig, hab mir gedacht: „ Ja, ja das kenne ich schon aus den USA. Da haben die Prediger auch solche Ideen.“ Und dann guckt der Mann mit den 50 Euro mich an und kommt auf mich zu. Er gibt mir den Schein. Ich sage danke, lächele und denke irritiert: „Ich brauch das doch gar nicht. Ich weiß doch wie man mit Geld umgeht, meist hab ich irgendwie genug. Und dass das keine Selbstverständlichkeit ist, weiß ich auch. “

Ja und nu? Wo soll ich denn  das Geld jetzt hintun?  Ins Portemonnaie? Das ist doch gar nicht meins! Vielleicht muss ich es gleich zurückgeben, schießt es mir durch den Kopf. Vielleicht ist das Ganze hier nur ein Test. Dann wäre es peinlich, wenn ich es jetzt so einfach wegpacke. Am besten  steck ich es gleich in den Klingelbeutel. Dann ist mein Problem schön christlich gelöst. Vor lauter überlegen, was ich jetzt mit dem Geld machen soll, kann ich dem Prediger nicht mehr folgen.  (Den 50ger halte ich noch immer in meinen feuchten Händen.)

Beim anschließenden Kirchkaffee beglückwünschen mich viele. „Das trifft doch genau die Richtige!“ So fühlt es sich nicht an. Ich frage den  Prediger noch mal, ob ich es wirklich behalten kann? „Ja, klar“, strahlt er mich an redet schon mit dem Nächsten.

Ich frage meine Freundin, womit er sein Brot verdient. „Der ist Arzt.“ Ich atme aus, er kann es sich also leisten mal so fünzig Euro zu verschenken. „Aber er hat drei Kinder im Studium“, Mist, das stellt selbst ein Arztgehalt vor Herausforderungen.

Es fällt mir schwer, die fünfzig Euro anzunehmen, überraschend schwer, es ist so unverdient. Auch als Theologiestudentin bin ich nicht mal die Ärmste in diesem Raum.

Ich werde mir gut überlegen, was ich mit dem 50 Euro Schein mache. Er kommt nicht in mein Portemonaie, im Alltag wäre er schnell ausgegeben , da sind 50 Euro viel Geld und doch wenig zugleich. Auch das Geld einfach zu spenden, wäre zu EINFACH. Es ist zu kostbar, dieses Geschenk, von einem Fremden, ohne Bedingungen, aber mit der Botschaft: „Ich vertraue dir dieses Geld an, für wen wirst du es einsetzen?“

Dieser Anspruch bewegt mich. Das Geld annehmen, obwohl ich es nicht verdient habe. Mir damit eine Erfahrung ermöglichen, etwas Besonderes, ja vielleicht sogar etwas Heiliges. Und doch auch etwas von diesem unverhofften Reichtum weitergeben.

Dann geht alles ganz schnell, ein Prospekt in meiner Hand, ein Frauenkloster bietet Schweigeexerzitien an,  drei  Tage gemeinsam schweigen und beten für 75 Euro. Meine Eltern geben mir dafür 50 Euro. Kommentar: „Die restlichen 25 Euro kriegst du schon selbst zusammen.“

Nur Tage später lese ich einen Artikel über ein Krankenhaus im Kongo, das von Hilfsorganisationen unterstützt wird.

Ein Arzt operiert Frauen in Kriegsgebieten nach brutalen Vergewaltigungen, so dass sie wieder schmerzfrei und kontrolliert urinieren können. Nachts träume ich meine eigene Vergewaltigung. Am nächsten Morgen ist dann alles ganz klar. Von meinen 50 Euro wird eine Frau wieder körperlich schmerzfrei und würdig leben. Und ich werde hübsch ins Kloster gehen  und mal hören, was Gott mir sonst noch so zu sagen hat.

Die fünfzig Euro von vor drei  Jahren sind mir heilig geworden, etwas Besonderes, ein Geschenk, eine Erinnerung. Seitdem nehme ich jeden Monat 50 Euro von meinem Geld und tue mir und anderen etwas Gutes.