Manchmal wünscht sich Maja einen Engel.
Also nicht so einen mit Flügeln.
Nicht dass der gleich wieder wegfliegt,
wenn er dann endlich mal da ist,
das wäre ja unpraktisch.
Er muss auch nicht schön sein oder weiß oder golden oder so.
Aber funktionieren muss der Engel.
Sie muss ihm glauben können.
Dass er was sagt, was wichtig ist und richtig.
Vielleicht einer, der sagt:
„Mach dir nicht so einen Kopf, mach dir keine Sorgen, fürchte dich nicht.
Du bist wichtig für diese Welt.“
So ein Engel, der zu ihr kommt, wenn ihre Familie mal wieder fragt:
„Was willst du eigentlich werden?“
Und Maja nicht weiß, was.
Sie ist ja erst 13 Jahre, wie soll sie das wissen? Was kann sie eigentlich?
In der Schule ist sie überall so mittelmäßig, keine besonderen Talente in Sicht.
Dann so ein Engel der ihr sagt:
„Fühl dich nicht nutzlos, du wirst gebraucht.
Du musst jetzt nicht gleich wie Maria damals Jesus auf die Welt bringen,
aber du hast dieser Welt was zu geben.
Warte ab, Gott wird dir eine Aufgabe zeigen und dann bist du selber ein wenig ein Engel.“
Manchmal wünscht sich Maja einen Engel, der sagt: „Jeder Mensch ist wichtig für unsere Erde. Du auch Maja. Kümmere dich jetzt schon ein bisschen um diese Welt, sei da für deine Freundinnen, deine Familie, dein Haustier.
Dann flüster ich dir irgendwann ins Ohr – das ist es- das ist deine Lebensaufgabe!“
Neulich vor dem Spiegel hätte Anna auch einen gebrauchen können.
So einen Engel der sagt:
„Nein, du bist kein Supermodel, aber du hast wirklich schöne Augen und wenn die leuchten, dann bist du das hübscheste Mädchen im Raum.“
So einen Engel der sagt:
„Geh vom Spiegel weg,
du bist gut genug für die anderen,
für diese Welt mit ihren schönen gefilterten Fotos. Fürchte dich nicht, lass dich von ihren Blicken und Kommentaren nicht verunsichern.
Das Leben ist nicht nur bei den Superschönen und Superreichen.
Gott ist bei den Menschen, die ganz normal sind, die schön dadurch sind, dass sie aufeinander achten.“
Anna könnte auch so einen gebrauchen, der sagt:
„Geh zu deinen Freundinnen und sag das denen auch.
Macht euch gegenseitig nicht fertig, wer die schönsten Klamotten hat oder die dünnsten Beine.
Macht euch Komplimente und macht euch gegenseitig stark. Haltet zueinander, wenn jemand anderes was Gemeines sagt.“
Julian hat ein komisches „Problem“.
Er ist richtig gut in der Schule.
Er mag es einfach zu lernen, zu lesen, Wissenschaft findet er cool.
Bei den anderen kommt das nicht soo gut an.
Vor allem bei Mirco. Früher waren sie beste Freunde.
Aber seit sie auf dem Gymnasium sind, hat Mirco immer mehr Probleme in der Schule und Julian wird vielleicht sogar mal eine Klasse überspringen.
Mirco macht coole Sprüche, Julian schreibt Einsen.
Beides irgendwie schlecht für ihre Freundschaft.
Als es mal wieder Mathearbeiten zurück gibt, beobachtet Julian heimlich, wie Mirko noch mehr Sprüche reißt als sonst. Und dann bekommt er eine 4 Minus. Julian eine 1 Minus.
Mirco hat sich seit dem nicht mehr gemeldet. Julian macht sich Gedanken.
Nach der Mathestunde kommt Herr Pälmke, der Mathelehrer, zu ihm.
„Sag mal, du bist doch gut mit Mirco befreundet?“
„Äh ja … .“
„Also ich glaube, du musst ihm mal Mut machen und etwas Mathe erklären, wenn ich das mache bekommt er nur noch mehr Angst vor Mathe. Aber du … wäre das möglich? Mirco braucht dich jetzt, es sind noch drei Wochen bis Weihnachten und 6 Wochen bis zur nächsten Mathearbeit, also vielleicht schenkst du ihm ein bisschen Nachhilfe zu Weihnachten? Also nicht so überheblich, sondern so wirklich als Freund?“
Julian sieht Herrn Pälmke an, darauf wäre nicht gekommen:
„Ok, ich versuch´s.“
Als sie die Fahrräder aufschließen um nach Hause zu fahren, fragt er Mirco ob er Zeit für eine Mathesession hat.
Mirco guckt skeptisch, aber sagt dann. „Ja, wenn du willst.“
Julian legt sich richtig ins Zeug, Mirko fängt an, hier und da was zu verstehen.
Zwei Stunden später sagt Mirco.
„Achtung jetzt wird es kitschig, Julian: Aber dich schickt der Himmel.“
Nico gibt es nicht gerne zu, aber auch er denkt manchmal, wenn da jetzt jemand käme … .
Wenn seine Eltern sich mal wieder so laut streiten. Ums Geld meistens.
Wenn da jemand käme, wie ein Wunder, ein Engel und … .
Glauben, dass ein Engel einen Lottogewinn dabei hätte, das kann Nico nicht ernst nehmen, aber:
Wenn endlich mal jemand sagen würde,
dass sich seine Eltern nicht das Leben versauen lassen sollen, weil es am Ende des Monats oft knapp wird, das wäre schon was.
Nico findet auch, dass Geld wichtig ist, er hätte so gerne auch ein neues Smartphone zu Weihnachten.
Aber dass mal Frieden wäre, bei ihnen zu Hause, das wäre ihm wichtiger.
Nico erinnert sich, früher haben sich Mama und Papa richtig lieb gehabt. Das war schön. Jetzt haut er meistens ab, wenn es wieder laut wird.
Also so ein Engel, der seinen Eltern sagt:
„Fürchtet euch nicht. Egal wie der Kontostand ist, wir sind eine Familie und halten zusammen, das kann man für kein Geld der Welt kaufen … .“
Und dann fragen seine Eltern ihn angespannt, was er sich denn zu Weihnachten wünscht und plötzlich fühlt er so was in sich, so als ob ihm jemand die Worte diktiert und er sagt es seinen Eltern einfach:
„Ich wünsche mir, dass der Streit ums Geld aufhört, dass ihr euch nicht mehr fürchtet.
Das braucht ihr nicht.
Ich komm auch ohne neues Smartphone aus, aber ich wünsche mir so, dass ihr wieder anders miteinander umgeht.“
Woher kam das denn? So mutig ist er doch sonst nie?
Und sein Vater guckt erst böse, aber dann senkt er den Kopf und schluckt.
Und seine Mutter sagt auch erst nix.
Dann legt sein Vater die Hand auf die Schulter seiner Mutter und sagt:
„In dem Bengel steckt ein Engel.“
Und sie nehmen sich alle in den Arm.