Psalm 23B

Ein Psalm Davids. Und mir.

(Kirchentag 2019, 22.6.2019 Predigt-Slam Thema: Vertrauen)

Der HERR ist mein Hirte,

und ich bin Nummer Hundert. (Mt 18,12ff.)

Nicht, wen wundert’s –

Eine der neunundneunzig der Herde, die da sind,

immer pünktlich, immer glücklich,

sondern die Eine, die fehlt.

Die es braucht, dass er ihr nachgeht.

Sie sucht, sie findet, sie nach Hause bringt.

Immer wieder.

Ich bin Nummer Hundert und die Eine,

die sich immer wieder selber verliert.

Weil sie das Maß nicht findet,

unter ihrem eigenen Wollen und Wünschen verschwindet.

Ich bin Nummer Hundert und die Eine,

die sich so oft selber alles verdirbt,

weil sie zu viel will und macht.

Ich bin Nummer Hundert und die Eine,

die ein Bekenntnis braucht, an das sie sich hängt:

Gott ist mein Hirte, der mich immer wieder einfängt,

wenn ich mich in meiner Freiheit verfangen habe.

Mir wird nichts mangeln.

Es gibt Tage, da will ich mit Gott verhandeln.

Ich geb dir das, ich tu noch dies

und dann gibst du mir, was ich vermisse.

Ich hab es doch auch verdient,

siehst du nicht, meine Herz ist von Narben gezeichnet!

Es wäre dir ein Leichtes,

ich weiß es.

Aber ich weiß auch das:

Gott schließt Bünde, aber über eins lässt Gott nicht mit sich reden.

Gott ist die Liebe (1. Joh 4,16b)

und die kann man nicht dealen,

die kann man nur frei geben und nehmen.

Ob man sie sieht oder riecht oder hört oder spürt oder nicht,

die Liebe,

ist immer da, JHWH, so spricht Adoni:

„Das sollt ihr wissen, ich bin bei euch, bei dir, immer hier.“ (Mt 28,20)

Ich weiß nicht warum, woher, wieso, wozu,

aber höher als meine Vernunft, bewahrt in Jesus Christus,

vertrauen meine Sinne und mein Herz, (Phil 4,7)

Gott lässt nicht mit sich handeln,

ich kann und brauche nichts MEHR lassen oder tun:

Gott ist die Liebe, mir wird nichts mangeln.

2 Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.

Nie Champagner, nie feucht-fröhlich beschwipst,

nie wirklich state of the art oder richtig hip

sondern der dreckige Boden der Tatsachen

bepflanzt mit Blüten und Halmen der Hoffnung

als place to be ohne Greenfee.

Kein elitärer Club ist meine Kirche,

Keine Institution der „schwarz-weiß Glückseligkeit“,

Kein weltfremdes Kloster theologischer und ethischer Richtigkeit,

Keine „das war schon immer so Heimat“ für die Ewigkeit.

Nur eine grüne Wiese auf der wir Brot und Fische teilen, (Mk 6,31ff)

und danach noch etwas an der Quelle des Lebens verweilen,

weil immer dann

MEHR da ist

als zuvor

-und wir heilen.

3 Er erquicket meine Seele.

Aus voller Kehle

hat er mir Leben eingehaucht

und eine Sehnsucht

nach Sinn und Mehr und Fülle und Tiefe in mich gelegt, die kann nur er stillen.

Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.

Gottes Namen sind sein Programm, ich weiß nicht,

ob er auch anders SEIN kann,

aber ich hoffe Nein.

Denn jeden morgen richtet er mich auf, nach Osten zu ihm hin.

Und ich gehe auf seinem Weg,

wo Güte und Treue einander begegnen

und Gerechtigkeit und Friede sich küssen. (Psalm 85,11)

Schritt für Schritt, Umweg für Sackgasse und wieder zurück.

Stück für Stück,

Zentimeter für Meter, im Kreis,

Runde um Runde und Kilometer weit.

Und ich fahre mit dem Auto statt mit dem Fahrrad,

und ich heize mit Öl statt mit der Sonne,

und ich habe noch kein Fairphone und plastikfreies Leben,

und ich bring mich echt ein, ich geb mir solche Mühe,

aber wahrscheinlich hätte ich noch viel mehr zu geben …

wenn ich nicht so sehr

mit mir beschäftigt wär,

mit meinen Rollen und Identitäten und Aufgaben.

Dabei traue ich eigentlich nur seinen Namen.

4 Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,

fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir,

dein Stecken und Stab trösten mich.

Das bete ich so lange, bis es mein Herz mit spricht.

Lauter als jeder Dämon, tiefer als jede Depression,

schöner als jedes: Ich schaffe das schon.

Das bete ich so lange, bis ich es glaube, darauf vertraue:

Dein Stab reicht zu mir hinab,

die Krümme umschlingt mich.

Aus jeder Schlucht und jedem Abgrund,

werde ich geborgen und komme wieder zu dir,

meinem Licht. (Joh 8,12)

Das ist mein Trost in allem Dunkel:

Du lässt mich hier, so, nicht.

5 Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.

Du schickst mich raus aus meiner kleinen Welt und Sicht.

Du deckst mir woanders den Tisch,

und da bin ich nicht allein, da sitzen noch die anderen

die Menschen mit ganz anderen Motiven und Perspektiven,

manche von ihren Forderungen und Taten werde ich

aller Wahrscheinlichkeit nach nie tolerieren, (Mt 26,25)

aber während ich so viel habe, vor mir auf meinem Teller,

an Balsamicotrüffeltorte,

Schokolade und Gnade,

an Leben und Heil

kann ich nicht anders als sie vorsichtig zu lieben

mit ihrer Not und ihrem Leid.

Und auch darin sind wir uns vielleicht nie gleich,

aber das macht es mir nicht mehr so leicht,

zu sagen, sie meinten es nur böse und falsch.

Und das ist mein Ansatz und Anfang für Frieden.

Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.

Du vertraust mir mehr als ich dir

Du traust mir soviel zu und lässt mich soviel sein,

Ich glaube, ich bin dir vertrauter als du mir.

Du hast mich berufen und beschenkt

Ich bin für dich, scheinbar, wunderbar.

Und alle anderen auch.

Jeder und jede hier heute in der Kirche,

in Dortmund, Gelsenkirchen, Westfalen und Bayern,

Deutschland, Europa, weltweit.

Das macht mich nicht weniger, das ist mein MEHR,

ihr macht meinen Kelch voll. (Mt 5,13)

Und ich bin ein Tropfen von eurem Wein.

6 Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,

und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.

Denn ich bin die Nummer Hundert und die Eine,

auf einer grünen Wiese, wo wir Brot und Fische teil(e)n

und dazu unseren guten eigenen Wein.

Und auf dem Weg dorthin und dortweg

küssen sich Gerechtigkeit und Frieden,

weil sie wie ich vertrauen:

Uns wird nichts mangeln, denn Gott ist die Liebe. Amen