Maggitalk

Von gestern Abend steht sie noch da. Braunes Glas, gelb-rotes Retroetikett. Und begrüßt mich am Frühstückstisch. Meine Maggiflasche. „Nicht das Mama dich beim nächsten Besuch noch entdeckt“, murmele ich leise und will sie wegräumen. „NEIN! Lass mich bloß noch einen Moment hier stehen“, protestiert sie, „ich hab was Wichtiges mit dir zu besprechen.“ Ich setze mich hin und gucke sie an. Selbstbewusst trägt sie ihr Etikett: „Das gewisse Tröpfen Etwas“. „Und?“, fragt sie mich. „Welches gewisse Tröpfchen Etwas bist du?“ „Also … so universal einsetzbar wie du bin ich nicht“, lache ich, „aber mich gibt es ja auch nur EINMAL.“ Meine Maggiflasche findet das nicht witzig.  „Ich bin vielleicht ein Massenprodukt, ideal geeignet für Brühen, Suppen, Salatdressings und vieles mehr, aber das ist ja kein Makel. Wer will schon ein Luxusprodukt sein, das keiner braucht? Also, wenn du so einmalig bist, sag mal ehrlich: Wofür bist du ideal geeignet?“ „Für Schokolade, Torte und  Tiramisu.“ „Nein, nicht was du magst, sondern, was ist dein Geschmack, was ist deine Essenz, was machst du besonders!“ Ich atme aus. „Puh. Also wer skurrilen Humor mag, ist bei mir richtig.“ „Aha. Du bringst Leute zum grinsen.“ „Ja. Manchmal. Und ich überrasche gerne andere.“ „Du bringst Sie aus dem Konzept, meinst du?“ „Nein, ich. Ja, auch,“ ich muss überlegen. „Ich lasse sie Dinge vielleicht ein wenig anders sehen, so dass sie merken, ach, das könnte alles auch ganz anders sein. Und so ist das ja auch schön und spannend. Wenn das Leben nicht immer gleich schmeckt.“ Meine Maggiflasche scheint zu nicken: „Und ein bisschen gemein sein kannst du auch und Finger in Wunden legen.“ „Ja, da muss ich immer etwas aufpassen“, sage ich. „Und manchmal will ich zuviel des Guten. Aber ich kann auch gut zuhören. Ich glaube ich merke gut, was anderen wichtig ist.“ „Du gibst ihnen das Gefühl, wichtig zu sein!“, nickt meine Maggiflasche. „Naja“, wende ich ein. „Nur, wenn’s gut läuft.“ „Und?“, fragt meine Maggiflasche, „läuft’s gut?“ „Hm, naja, geht so.“  „Findest du nicht du solltest das alles mal wieder mehr aus deiner Flasche lassen?“ „Was soll ich?“ „Humorvoll sein, überraschend und den anderen zeigen, wie wichtig sie sind.“ „Wenn das immer so leicht wäre wie eine Flasche Maggi kaufen.“ Ich nehme meine Maggiflasche in die Hand und lese: Trocken lagern und vor Wärme schützen. Sie hört nicht auf zu bohren: „Und wie muss man dich behandeln, damit du langfristig dein volles Aroma entfalten kannst?“ „Trocken lagern und mit Wärme umarmen,“ unke ich.  „Im Ernst:  Ich brauche schon das Gefühl, dass ich so sein darf, vielleicht auch einen liebevollen Tritt …“ „Zu uns kleinen braunen Flaschen hat ja mal jemand gesagt: Ihr seid das Maggi in der Suppe.“ „Nein. Jesus hat zu den Menschen gesagt: Ihr seid das Salz der Erde.“ „Wenn du meinst. Hauptsache, ihr Menschen spart nicht an euren Gewürzen und Geschmacksverstärkern. Ich glaube du weißt, was ich unbedingt mit dir besprechen musste, ne?“ „Ja“, sage ich, „danke für den liebevollen Tritt.“