Was suchst du bei Jesus?

Predigt zu Joh 1, 35-41

Einstimmung….

Lilly wacht auf und guckt sich um. Ihre Freundinnen um sie herum schlafen noch. Es war eine lange Nacht, sie haben gelacht und gequatscht und gelacht und gequatscht und gelacht, Lilly liebt solche Übernachtungen. Aber jetzt zieht sie sich trotzdem an. So leise sie kann, aber Lena blinzelt sie aus ihrem Schlafsack an. „Schlaf weiter, ich komm nachher wieder“, flüstert Lilly. Und schleicht sich ins Badezimmer. Als sie wieder rauskommt, steht Lena vor ihr: „Musst du da heute wirklich hin?“ „Jaha, aber das macht doch nix, ich komme gleich wieder.“ Lena verdreht die Augen: „Warum machst du das eigentlich? Konfi ist doch vorbei.“ Lilly sucht nach Worten: „Ich hab versprochen, dass ich da … .“ Aber Lena ist schon wieder in ihrem Zimmer verschwunden. Lilly setzt sich auf ihr Fahrrad und fährt los zur Kirche. Und ärgert sich über Lena – und über sich selbst.“ Ja, was mache ich da eigentlich“, fragt sie sich. „Also was will ich da eigentlich wirklich, außer dass ich da nachher beim Kirchenkaffee mit abwasche.“ Lilly muss schmunzeln – wenn das ihre Mutter wüsste – Zuhause hat sie noch nie freiwillig abgewaschen. Aber als Konfirmandin hat sie mal beim Kirchkaffee helfen müssen und es waren alle so herzlich gewesen, und dann hatte sie es einfach nach dem nächsten Gottesdienst wieder gemacht …und wieder.  „Aber eigentlich“, denkt Lilly, „bin ich da, weil ich mich frage, was das mit diesem Leben so soll – ich meine, da muss es doch mehr geben als Schule, Hobbies, Freunde und Familie. Das ist alles ganz gut- aber soll das wirklich alles sein? Gibt es da nicht noch mehr, wofür es sich zu leben lohnt? Es muss doch mehr geben, als möglichst gut durchzukommen und so lange zu leben, wie möglich! Es muss doch mehr geben, als seinen Alltag geregelt zu kriegen und aus der Freizeit möglichst viel zu machen. Es muss doch alles einen Grund haben, dass ich so bin, hier und jetzt. Oder nicht? Und wenn ja, welchen? Wie geht wirklich richtig leben? Wie geht wirklich richtig lieben? “ Lilly schließt ihr Fahrrad an den Schaukasten an und geht gerade noch rechtzeitig in die Kirche, setzt sich hin, die Orgel spielt, der Pfarrer spricht und sagt: Im Namen Gottes. Und Lilly schrickt leicht zusammen, als ihr klar wird: „Eigentlich bin ich hier, weil ich Gott suche.“

Predigt:

Die Gnade unseres HERRN Jesus Christus,

die Liebe Gottes

und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch.

Liebe Jüngerinnen und Jünger,

„Was sucht ihr?“,

fragt Jesus die beiden Männer, die bis zuletzt Johannes dem Täufer gefolgt sind und nun zu ihm kommen.

„Was sucht ihr?“

Was sucht ihr hier im Gottesdienst,

in euren Gemeinden, in der Kirche.

Was suchen Sie hier, was sucht du hier, und ich füge hinzu -was sucht ihr, das es woanders nicht gibt?

Was sucht ihr hier am Sonntagmorgen?

GOTT?

Dieses „mehr“ im Leben, was es doch hoffentlich geben muss – wie Lilly, die Jugendliche aus der Erzählung eben?

Oder das Lamm Gottes, den Messias oder einen Lehrer, wie die Jünger des Johannes?

„Was sucht ihr?“ fragt Jesus die Jünger. Und ich glaub – auch uns heute.

„Was sucht ihr?“

Mit welcher Sehnsucht sind Sie heute hier?

Ich finde, das ist gar keine leichte Frage –

zumindest ich kann solche Fragen

meist nicht spontan beantworten.

Darüber muss ich erstmal nachdenken, erstmal nachfühlen.

Klar, kann ich sagen:

Ich besuche Gottesdienste, weil ich dort nach Gott suche, Gott nah sein möchte, oder zumindest näherkommen möchte.

Aber so sehr das auch für alle Gottesdienste meines Lebens gilt, so bleibt es an der Oberfläche.

Aber ich bin eine, die gerne unter die Oberfläche guckt.

Die gerne genau hinschaut, tief blickt.

Auch wenn das immer ein Wagnis ist,

auch wenn ich mich eigentlich sicherer fühle an der Oberfläche.

Denn da, wo es tief geht,

in meinem Herz,

da wird es persönlich und menschlich

– da bin ich verletzlich,

denn da bin ich, wie ich bin

– da suche ich etwas, weil ich es brauche,

weil ich bedürftig bin

und bedürftig und angewiesen zu sein,

das fällt mir schwer,

das bin ich nicht gewohnt,

da muss man ganz sanft,

ganz zärtlich, ganz behutsam,

einfühlsam und achtsam mit mir umgehen,

sonst traue ich mich nicht¸ das zuzugeben.

Erst recht wenn es um meinen Glauben geht,

da komme ich mir so schnell  „töricht“,

also dumm, naiv, klein vor.

Aber ich höre noch die Lesung in meinen Ohren,

wo Jesus sagt, fahrt raus,

geht dahin wo es tief ist

und vielleicht meint er damit ja auch mein Herz.

Und überhaupt, bei Jesus bin ich oft so viel mutiger

als vor anderen oder sogar mir selbst.

Bei Jesus fühle ich mich sicher, in die Tiefe zu sehen.

Denn Jesus wendet sich jedem persönlich zu.

Mich berührt, wie Jesus den beiden Jüngern begegnet.

Er merkt, dass sie da sind,

dreht sich zu ihnen um, geht auf sie zu.

Er nimmt sie wahr, aber da ist kein:

Wer bist du, wo kommst du denn her,

was kannst du, was hast du vorzuzeigen?

Da ist Jesus, wie ich ihn liebe.

Mitten rein ins Herz geht seine Frage: „Was sucht ihr?“

Und sie antworten: „Rabbi, das heißt übersetzt: Lehrer – wo ist deine Unterkunft?“

Die beiden suchen einen neuen Lehrer,

bei dem sie seine Schüler werden

und übernachten können – so war das damals.

Lernen und Leben gehört untrennbar zusammen.

Bei aller Bewunderung für den Mut der beiden Jünger:

Mich überrascht ihre pragmatische Antwort

– auch sie bleiben – auf den ersten Blick

an der Oberfläche im Vergleich zu Jesus tiefer Frage.

Aber ich verstehe sie auch:

Erstmal klären, wo man die nächste Nacht bleibt

– und vielleicht waren die beiden genauso überfordert von der Frage. „Was sucht ihr? “, wie ich.

Dass eine große Sehnsucht sie treibt,

davon gehe ich aus

– warum hätten sie sonst ihre Familie, ihren Beruf und auch Johannes verlassen?

Aber WAS sie wirklich suchen,

in ihren Herzen, jeder einzeln–

das kann ich nur daraus erahnen,

mit welchen Worten Jesus ihnen

von Johannes vorgestellt wird:  “ das Lamm Gottes”.

Wen sie suchen: “einen Rabbi”.

Und fanden: “den Messias”.

Und ich kann mir gut vorstellen: Das ist extra.

Mich würde es nicht wundern,

wenn der die Bibel extra so zurückhaltend ist

mit den Sehnsüchten der Jünger damals.

Ich sehe darin die versteckte Aufforderung und Chance,

unsere Sehnsüchte mit den Namen Jesu verbinden

und so uns und ihm auf die Spur zu kommen.

Und deshalb habe ich mich mal auf die Suche gemacht,

bei mir unter die Oberfläche geguckt,

was ich bei Jesus und Gott suche,

wenn ich mich nach dem  „Lamm Gottes, „einen Lehrer“ und den „Messias“ sehne.

Wenn ich nach dem

“Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt”

suche, also dem, der alles auf sich nimmt,

was uns als Gemeinschaft und Einzelne von Gott trennt,

damit wir darunter nicht mehr leiden müssen,

dann ist meine Sehnsucht nach der Liebe Gottes.

Der Liebe, die so groß und stark ist,

dass ich keine Angst haben muss,

dass ich sie irgendwie verlieren könnte.

Denn für mich ist Angst der Kern der Sünde.

Zum Beispiel meine Angst davor, allein zu sein.

Meine Angst davor, nicht gut genug zu sein.

Meine Angst davor, zu kurz zu kommen.

Die gebe ich nicht gerne zu,

aber diese Angst

macht es mir immer wieder schwer

zu vertrauen -anderen und Gott.

Diese Angst ist kontraproduktiv,

aber leider sehr effektiv,

ich mach dann lieber alles selbst – oder gar nicht …

Und wie oft steckt diese Angst dahinter,

wenn ich mal wieder lieblos war,

zu anderen aber auch zu mir selbst.

Mit meinen Ansprüchen oder fehlender Aufmerksamkeit.

Gegen diese Angst habe ich Sehnsucht

nach der allergrößten Liebe,

die stärker als meine Angst und der Tod ist,

die mir zeigt,

nichts kann dich von der Liebe Gottes trennen.

Wenn ich nach einem Lehrer suche,

der mir das Leben und die Welt erklären kann,

dann ist das meine Sehnsucht zu verstehen,

was Gottes Werk ist,

und was in menschlicher Verantwortung,

vielleicht sogar meiner, liegt.

Nur, wenn ich den Unterschied kenne,

dann kann ich mit dem Elend der Welt

und dem persönlichen Leiden leben lernen

und es aushalten.

Ob das ist, dass Unschuldige Gewalt erleben

und die, die dafür verantwortlich sind,

einfach gut und gesund weiterleben

oder ob das die Wunden und Abschiede

meines kleinen Lebens sind.

Immer dann,

wenn ich mit Herz und Verstand verstehen kann,

wer und was dahintersteckt,

kann ich es langsam annehmen

und sogar anfangen zu vergeben.

Immer dann, wenn ich begreife,

dass Gott mein Bestes will

und mir mein Leben anvertraut, kann ich so Vieles wagen.

Gott straft mich nicht mit Kinderlosigkeit,

sondern weiß, dass ich anders fruchtbar wirken kann.

Immer dann, wenn ich merke,

dass andere der Welt und mir,

nur aus verdrehter Angst und Sorge um sich selbst, schaden, muss ich nicht

mehr als nötig verletzt oder verzweifelt sein.

Es ist ihre Gier und Habsucht,

die unsere Lebensgrundlage unnötig gefährdet.

Es ist nicht ihr Hass, das ist ein Unterschied.

Immer dann, wenn ich lerne,

dass sich so vieles gar nicht auf mich persönlich bezieht,

ist das entlastend.

Immer dann, wenn ich verstehe,

welchen Einfluss ich habe,

kann ich sogar helfen, Leiden zu lindern.

Etwas über Gott und die Welt

von einem weisen Lehrer zu verstehen

ist nicht nur trockener Stoff,

es kann auch eine entlastende Befreiung

oder lebendige Nächstenliebe sein.

Und wenn nach dem Messias suche,

also den von Gott eingesetzten und gesalbten,

aber armen König,

der Gerechtigkeit und Frieden zurückbringt,

 dann ist das meine Sehnsucht nach Weltveränderung.

Dass Gott endlich den Entrechteten Recht gibt

und die Reichen und Mächtigen teilen lernen.

Das ist meine verzweifelte, radikale Sehnsucht,

dass alles auf einmal neu wird

und nichts mehr ist wie es ist, denn manchmal ist diese Welt –

vor allem, was Menschen einander und der Schöpfung antun –

dann eben doch um der Opfer willen nicht zu ertragen.

Aber wer sich heute nach dem Messias sehnt

und ihn in Jesus von Nazareth sucht,

kann nur den gekreuzigten und auferstandenen Christus finden.

Und das ist der, ich weiß es ja,

der die Menschen nicht mit Gewalt,

sondern mit Provokation und Zuwendung verändert,

so wie Jesus das im Tempel und bei Zachäus getan hat.

Meine Suche nach dem Messias

motiviert und begründet auch meine Sehnsucht,

mich für die Entrechteten und Diskriminierten einzusetzen

und gleichzeitig den Reichen und Ausbeutenden seelsorglich zu begegnen.

Das ist es, was bei mir unter der Oberfläche finde,

zumindest das,

was ich heute mit Ihnen hier teilen mochte.

Auch das geht sicher noch tiefer … und konkreter, aber für heute soll es reichen.

Vielleicht haben Sie bei meinen Worten gemerkt,

dass Sie bei Gott etwas Ähnliches suchen

oder was ganz anders oder das Gleiche?

Sind Sie dem, was Sie gerade in ihrem Herzen suchen,

etwas auf die Spur gekommen?

Wenn ja, wie schön. Suchen sie weiter und tiefer.

Wenn nicht – es gibt noch andere Namen, Titel, Bilder von Jesus,

es gibt noch andere berechtigte Sehnsüchte,

mit denen man sich an Gott wenden kann,

mit denen man bei Jesus genau richtig ist.

Ich bin meiner Suche,

die ich ähnlich wie die fiktive Lilly aus der Geschichte eben schon mit der Konfirmandenzeit mit der Suche nach MEHR begonnen habe,

wieder etwas mehr auf die Spur gekommen durch Jesu Frage.

 Aber es ist auch nur eine Spur, ein Weg.

Am Ziel bin ich noch nicht und werde es auch zeitlebens nie sein.

Aber eine Spur reicht.

Und egal, wo Sie oder du gerade bist

auf deinem Glaubensweg,

für uns gilt, was Jesus auch den beiden Jüngern antwortet:

“Kommt und seht”.

Das bezieht sich vielleicht auch auf den Ort,

wo sie übernachten werden,

aber bestimmt auch auf das,

was sie von ihm und mit ihm erfahren.

„Kommt und seht.“

Das gilt auch für uns, für Sie, dich und mich.

“Kommt und seht”, was ihr sucht.

„Kommt und seht – ihr sucht mich“, sagt Jesus.

„Ich bins. Kommt und seht –

überzeugt euch selbst,

macht euch selbst ein Bild von mir

und hört nicht nur, was andere von mir sagen

oder was ihr euch schon immer mal erhofft habt.

Kommt und seht –

ich bin noch viel mehr und anders

und manchmal auch weniger.

Hört nicht auf zu kommen und zu sehen, wer ich bin.

Hört nicht auf nach mir zu suchen,

euch nach Gott zu sehnen.

So will ich mich von euch finden lassen.

Und wenn ihr mich findet,

dann wisst ihr, dass sich die Suche gelohnt hat.

Das hat sie schon so oft.

Denn ich gebe euch MEHR im Leben. Ich bin das Leben.

Ich merke, wenn ihr mich sucht und komme euch entgegen.“

Und der Friede Gottes,

der höher ist als alle Vernunft,

bewahre eure Herzen in Christus Jesus. Amen.

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