Mit meiner Freundin Tanja komme ich an Orte, an denen wäre ich sonst nie gelandet. Diesmal sind wir in Essen, Berliner Platz. Zu sehen ist zuerst ist nur ein riesiges Einkaufszentrum. Aber eine Straße weiter und zehn Minuten später befindet sich in meiner Tasche eine wunderschöne, selbstgemachte Halskette. Dank Tanja bin ich zu Gast im Unperfekthaus. Das ist ein 4000 Quadratmeter großes Künstlerdorf. Tanja arbeitet hier seit Kurzem. Zum Konzept des Unperfekthauses gehört das so genannte Coworking, zu Deutsch: zusammen arbeiten. Freiberufler arbeiten hier zusammen und profitieren von der Infrastruktur. Sie nutzen gemeinsam Drucker, Scanner, Fax, Beamer, Besprechungsräume. Den Arbeitsplatz kann man für einen Tag, einige Wochen oder Monate mieten. So zu arbeiten – das ist das Gegenmodell zum Home-Office, dem Arbeiten zu Hause. Hier kann man sich austauschen und ist Teil der Gemeinschaft. Entspannen kann man im Unperfekthaus bei Tischtennis und Kicker. Es gibt Ruheliegen und Kuscheldecken und ein All-you-can-eat-Buffet für Besucher. Oben gibt’s eine Dachterrasse. Hier sitze ich mit Tanja nach dem Besuch im Kunstkaufhaus und freue mich über die schöne Kette, die ich hier gekauft habe. Besonders am Wochenende kommen viele Besucher ins Unperfekthaus. Trotzdem wird hier nicht viel Geld verdient. Es glitzert nicht alles so wie in der Shoppingmall nebenan, es sieht nicht so steril und gleichförmig aus. Aber gerade das stört hier keinen, Tanja und mich schon gar nicht. Im Gegenteil, schon beim Klang des Namens entspanne ich mich: Unperfekthaus. Da kann ich mich ja locker machen. Eigensinn ausleben und Fehler machen sind erlaubt oder sogar gewollt. Denn perfekt bin ich noch nie gewesen. Ich kenne Perfektionisten. Nie reicht es, immer geht es noch besser. Das verdirbt die Laune, wenn man sich nicht über kleine Erfolge freuen darf. Natürlich habe ich auch meine Ansprüche. Und früher hab ich oft gedacht: „Wenn es gut werden soll, mache ich es lieber allein. Dann hab ich die Kontrolle.“ Aber eigentlich wollte ich auch ein bisschen Spaß und Spannung – und das schien mir mit Perfektionismus unvereinbar. Der ist nämlich ernst und kalkuliert, also oft auch arg langweilig. Für Spaß und Spannung brauche ich andere, Teamarbeit oder zumindest Coworking. Wo jeder sich ausprobieren darf, nicht alle das gleiche machen. Aber doch miteinander arbeiten, aufeinander bezogen. Solches Arbeiten vergleicht der Apostel Paulus mit den Gliedmaßen unseres Körpers. Er fragt:
Sprecher: Selbst wenn der Fuß da sagen würde: „Weil ich keine Hand bin, gehöre ich nicht zum Körper“, gehört er dann nicht trotzdem dazu? Und wenn das Ohr sagen würde: „Weil ich kein Auge bin, gehöre ich nicht zum Körper“, gehört es dann nicht trotzdem dazu?
Wenn der ganze Körper Auge wäre, wo bliebe dann das Hören? Wenn der ganze Körper Hören wäre, wo bliebe dann das Riechen? (1. Korinther 12,14-17)
Wenn jeder macht, was seine Sache ist, heißt das nicht, dass immer alles perfekt oder reibungslos läuft. Man muss sich immer wieder mit einander auseinandersetzen und aufeinander abstimmen. Und erlebt dann: Wir ergänzen und bereichern uns! Am Ende erreichen alle ihr Ziel – und das ziemlich gut, besser als allein! Wie ich an der Stimmung im Unperfekthaus und dem Schmuck in meiner Tasche sehen kann. Die Kirche ist auch so ein Unperfekthaus und wer in ihr mitarbeiten möchte, muss auf Perfektion verzichten. Aber nicht auf Spaß und Spannung.