1. Kapitel
Es war einmal eine kleine, aber feine Melodie, die hatte eine Trotzphase.
Sie rannte zu Gott und sagte: „Ich will nie auf die Erde!“
Gott sah sie erstaunt an: „Aber warum denn nicht?“
„Hier oben, im Himmel, da singen die Engel mich viel schöner!“
Gott guckte skeptisch: „Schöner als wer?“
Die kleine feine Melodie sah verlegen auf den Boden:
„Als Ulrike.“ (Unsere tolle Kirchenmusikerin für Popularmusik)
„Ne!“ , sagte Gott, „die singt genauso schön!“
„Aber Lara, die … .“ (Unsere Engelsängerin)
„Ne!“, sagte Gott, „die klingt noch viel schöner als ein Engel.“
„Aber … Dominik, wenn der spielt, dann hört sich das manchmal so … .“ (Unser toller Musikstudent, bei dem alles so schön groovt.)
„Ne!“ sagte Gott, „das nennt man Jazz.“
„Aber Chrisi, mit seinen Synthis…!“
„Ne,“ sagte Gott.
„Aber Bernhard, wenn der …“ (Bass)
„Ne“, sagte Gott.
„Aber Moritz!“ (Trompete)
„Ne“, sagte Gott.
„Aber Bene …“ (Rapper)
„Vergiß es!“
„Aber Katrin und Paula und Johannes“! (Gesang und Schlagzeug)
„Nein! Die machen das alle wunderbar!“
Gott guckte verträumt und erinnerte sich an all die Proben bei denen er heimlich lauschte.
„Aber, aber, aber …“, nölte die kleine feine Melodie.
Gott sah sie wieder an: „Was ist dein eigentliches Problem?“
„Was soll das überhaupt alles? Warum muss ich auf die Erde runter? Was soll das bringen?“
„Dass sie zusammen spielen, in einer Melodie.
Menschen sind so oft aus dem Takt und reden aneinander vorbei.
Wenn sie zusammen Musik machen, dann wird das weniger.“
„Da könnten die doch auch miteinander tanzen!“
„Ja, aber …– Ach lenk nicht ab! Die Menschen brauchen Musik, du wirst es sehen.“
„Aber wozu?“
Gott holte tief Luft: „Mit Musik kann man Sachen anders sagen. Anders fragen, so wie Bene in seinen Raps. Wenn Menschen Melodien wie dir zuhören, dann erinnern sie sich daran, was wirklich wichtig ist.“
„Was denn?“
„Ihre Fragen, die anderen, die großen Dinge.
Dass ich sie ganz lieb habe. Dass es immer Hoffnung gibt. Egal, was ist.
Ob sie mir das schon glauben, oder gerade daran zweifeln.
Ob sie Liebeskummer oder mit sich selbst Probleme haben.
Ob sie ängstlich in die Zukunft gucken
oder erschreckt sind,
dass jetzt wieder auf Juden und Ausländer geschimpft wird.
Wenn keine Musik mehr gespielt wird
und keine Melodien wie du mehr gesungen werden, dann …
gibt es vielleicht noch Parolen, aber kein Herz,
keinen Schwung und keinen Rhythmus mehr
für das Gute und Schöne und Gerechte und für mein Reich.“
Die kleine aber feine Melodie sah Gott leicht panisch an:
„Aber das ist ja so viel und so wichtig – das schaffe ich nicht!“
„Doch,“ sagte Gott: „Es sind schon viele andere schöne Melodien da unten, mit denen zusammen schaffst du das.“
„Dann können die das ja vielleicht alleine …!“
„Ne! Du hast denen da noch gefehlt. Neue Melodien braucht die Band!“
Musik, Befiehl du deine Wege
Kapitel 2
Die kleine, aber feine Melodie saß auf einem Hocker und schaute sich um.
Ihre Augen wurden immer größer.
„Extra alles für mich,“ dachte sie.
„Simon, Joel, Tobi, Jan und Florian haben so viel schönes Licht und Technik aufgestellt.
Und Katrin, Wibke und Emma haben sogar Waffeln gebacken, und Kilian Getränke verkauft, damit die Menschen mich noch schöner finden.“
Die kleine Melodie fing an, nervös zu werden.
„Hoffentlich bin ich gut genug,“ dachte sie.
Und dann wurde alles still.
…
„Aber was ist das denn?“
Eine feine, kleine schon etwas ältere Melodie, EG 361 nannten sie sie, legte ihr den Arm um ihre Schulter.
„Nach der Stille kommt immer etwas Besonderes …“